5. September 2016

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 19.07.2016 (Az.: VI ZR 75/15) entschieden, dass ein Patient, der eine Chefarztbehandlung vereinbart hat, nicht einfach von einem anderen Arzt operiert werden darf. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, ob der Eingriff korrekt durchgeführt worden ist.

Der dortige Kläger stellte sich wegen einer Handoperation im beklagten Krankenhaus vor. Dort wurde er vom Chefarzt untersucht. Sodann schloss er eine Wahlleistungsvereinbarung mit dem Krankenhaus ab, in der eine Chefarztbehandlung vereinbart worden ist. Der Kläger wurde sodann stationär aufgenommen und vom stellvertretenden Oberarzt operiert.

In die Operation durch den stellvertretenden Oberarzt hatte der Kläger nicht eingewilligt. Nach der Operation stellten sich bei dem Kläger erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen an der operierten Hand ein.

Der Kläger macht mit seiner Klage Ansprüche auf Schmerzensgeld und Feststellung wegen der vom stellvertretenden Oberarzt durchgeführten OP geltend.

Die Vorinstanzen (Landgericht Koblenz und Oberlandesgericht Koblenz) haben die Klage auf Schadensersatz jeweils abgewiesen. Zwar sei der Eingriff mangels rechtsgültiger Einwilligung widerrechtlich gewesen, da es aber an einem ersatzfähigen Schaden fehle, scheide eine Haftung aus.

Das beklagte Krankenhaus konnte nachweisen, dass der Eingriff in seiner Ausführung nicht anderes verlaufen wäre, wenn der Chefarzt selbst operiert hätte. Zudem bestätigte ein Sachverständiger, dass der Oberarzt die Operation fehlerfrei durchgeführt hatte. Das Land- und Oberlandesgericht sind dem Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens gefolgt.

Anders hingegen der BGH. Dieser führt in den Entscheidungsgründen des oben genannten Urteils aus, dass für den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens, das heißt, den Einwand, der Schaden wäre auch bei einer ebenfalls möglichen, rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden, vorliegend kein Raum sei.

Einwilligung des Patienten bezieht sich auch auf den behandelnden Arzt

Der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens sei den Beklagten deshalb verwehrt, weil dies dem Schutzzweck des Einwilligungserfordernisses bei ärztlichen Eingriffen (§ 823 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch) widerspreche. Erkläre der Patient in Ausübung seines Selbstbestimmungsrechts, nur von einem bestimmten Arzt behandelt bzw. operiert werden zu wollen, so dürfe kein anderer Arzt den Eingriff vornehmen.

Soll ein anderer Arzt, als der ursprünglich fest vereinbarte, nunmehr an dessen Stelle treten und den Eingriff durchführen, muss der Patient rechtzeitig darüber aufgeklärt werden. Fehle die diesbezügliche Einwilligung des Patienten, sei der Eingriff in die körperliche Integrität des Patienten rechtswidrig.

Daher könne sich der Arzt, der ohne eine auf seine Person bezogene Einwilligung des Patienten die Operation durchgeführt hat, nicht darauf berufen, der Patient sei mit der Vornahme des Eingriffs durch einen anderen Operateur einverstanden gewesen. Ließe man diesen Einwand zu, so könne er sich einer Haftung entziehen und der rechtswidrige Eingriff in die körperliche Integrität des Patienten bliebe sanktionslos. Ein solches Ergebnis könne keinen Bestand haben.

Nunmehr muss das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz den Fall neu verhandeln und entscheiden.

Fazit: In seiner aktuellen Entscheidung hat der BGH einmal mehr die Patientenrechte gestärkt.

Schließt der Patient eine Wahlleistungsvereinbarung mit Chefarztbehandlung ab, ist der Chefarzt grundsätzlich verpflichtet die Kernleistung, in der Regel die Operation, persönlich durchzuführen. Ist der Chefarzt sodann – aus welchen Gründen auch immer – verhindert, muss der Patient rechtzeitig vor der Operation darüber aufgeklärt werden, dass die Operation durch einen anderen Arzt durchgeführt wird. Hierzu muss der Patient sein Einverständnis erklären. Das Einverständnis des Patienten ist zu dokumentieren, am besten lässt man sich dieses schriftlich geben.

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