Buchrezension: Ärztliches Werberecht mit umfassender Rechtsprechungsübersicht von Dr. Virgilia Rumetsch und Peter Kalb
Das Buch richtet sich insbesondere an die im Bereich der Rechtsberatung und Rechtsanwendung tätigen Berufe, für die es mit seiner Kürze als praktisches Übersichtswerk dient.
Als solches wird das Werk von den beiden Autoren im Vorwort dann auch beschrieben. Es soll als erste Auflage einer geplanten Reihe von aktualisierten Rechtsprechungsübersichten zu sehen sein.
Trotz seiner Kürze bietet es einen sehr umfassenden Überblick über das ärztliche Werberecht und die einzelnen hier relevanten Vorschriften und Gesetze.
Zunächst befasst es sich mit dem Begriff und den Grenzen der Werbung im Heilberufebereich und thematisiert insbesondere die Schlagworte der Anpreisung, der Irreführung und der vergleichenden Werbung.
Sodann geben die Autoren hilfreiche Informationen zur Werbung durch Einrichtungen des Gesundheitswesens und zur Fremdwerbung für gewerbliche Unternehmen.
Im Anschluss werden äußerst praxisrelevante Urteile aus der jüngeren Rechtsprechung dargestellt. Die Autoren haben an dieser Stelle einige sehr einprägsame und interessante Urteile wie z. B. zur Ankündigung von Qualifikationen und Expertisen, zum Zentrums- und zum Klinikbegriff, zur Verwendung von Ortsbezeichnungen, sowie zur Alleinstellungswerbung und zu Vorher-/ Nachher Bildern und weitere Einzelfallbeispielen gesammelt und diese anschaulich aufbereitet.
Im letzten Teil des Buches widmen sie sich dann den Folgen einer etwaigen Wettbewerbsverletzung. Hierbei stellen sie sowohl die berufsrechtlichen, wie auch die wettbewerbsrechtlichen und strafrechtlichen Sanktionen dar.
Insgesamt dient das Werk als Orientierungshilfe zum gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung und gibt einen sehr guten Überblick über diese.
Das Buch richtet sich nicht nur an den erfahrenen im ärztlichen Wettbewerbsrecht tätigen Kollegen, sondern auch an Juristen, die sich zunächst in die Materie einarbeiten wollen und einen Überblick hierüber erhalten möchten. Das Werk wäre sogar als Lektüre für den Nichtjuristen geeignet.
Zusammenfassend ist das Buch unserer Meinung nach ein für alle Bibliotheken der im Medizinrecht tätigen Kollegen eine echte Bereicherung. Bestellen können Sie es HIER.
Autoren:
Frau Cornelia Sauerbier
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Medizinrecht
Frau Claudia Göpfert
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht
Fachanwältin für gewerblichen Rechtsschutz
Werberecht der Apotheken – Was ist erlaubt?
Das Werberecht der Apotheken ist in vielen Bereichen derzeit noch undurchsichtig und geprägt von der unterschiedlichsten Rechtsprechung. Es ist daher nur verständlich, dass die meisten Apotheker nicht mehr nachvollziehen können, welche Art von Kundenbindungssystemen zulässig sind und bei welchen sie mit Untersagungsverfügungen oder Abmahnungen rechnen können.
Wir möchten an einem jüngst ergangenen Beschluss des OVG Lüneburg vom 08. Juli 2011 (AZ: 13 ME 94/11) kurz darlegen, auf was die Apotheken grundsätzlich achten sollten und wie sich die gesetzlichen Hintergründe diesbezüglich darstellen. Weiterlesen
Weitere Liberalisierung des Werberechts
In der Rechtsprechung ist in den letzten Jahren ein Wandel
vom Werbeverbot zum Werberecht für Ärzte und Zahnärzte erkennbar. Alle Werbeträger, wie z.B. Praxisschild, Briefbogen, Rezeptvordrucke, Internetpräsentationen, anzeigen etc. werden grundsätzlich gleich behandelt. Rundfunk- und Fernsehwerbung ist ebenfalls erlaubt.
Zudem dürfen neben den nach der Weiterbildungsordnung erworbenen Qualifikationen auch sonstige öffentlich-rechtliche Qualifikationen, Tätigkeitsschwerpunkte und organisatorische Hinweise angegeben werden, wenn diese nicht nur gelegentlich ausgeübt werden. Drei maßgebliche Entscheidungen im Jahr 2007 tragen weiter zur Liberalisierung bei.
In früherer Zeit sprach man davon, dass für Ärzte und Zahnärzte eine Art Werbeverbot gelte. Die Praxen beschränkten sich darauf, über die Neuaufnahme von Praxispartnern, die Sitzverlegung oder das Ende der Urlaubszeit zu informieren. Mit zunehmender Notwendigkeit der wirtschaftlichen Aufstellung einer Praxis wuchs das Bedürfnis, die speziellen Fähigkeiten der Praxis in der Öffentlichkeit darzustellen.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht bereits 2003 erklärte, dass es auch einem Arzt grundsätzlich möglich sein muss, sein Bild in der Öffentlichkeit positiv zeichnen dürfen, wurde durch zahlreiche Gerichtsurteile eine Lockerung des Werbeverbots erreicht. Sehr wichtige Einschränkungen der Werbefreiheit sind nun im Jahr 2007 ebenfalls weggefallen.
I. ärztliche Werbung in Berufskleidung
Bisher war es Ärzten gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) untersagt, für Behandlungen, Verfahren oder Arzneimittel mit der bildlichen Darstellung von Personen in Berufskleidung außerhalb der Fachkreise Werbung zu betreiben.
Die Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HWG wurde genau nach Ihrem Wortlaut angewandt, so dass sich Gerichte und Standesvertretungen stets für die Achtung dieser Vorschrift ausgesprochen haben. Nunmehr hat der Bundesgerichtshof diese strenge Auslegung der Vorschrift für unzutreffend erachtet (BGH, Urteil vom 01.03.2007 – Az. I ZR 51/04).
Damit ist klar, dass Ärzte in Berufskleidung werben dürfen. Das Werbeverbot bleibt lediglich aufrechterhalten, wenn die Werbung geeignet ist, Patienten unsachlich zu beeinflussen und dadurch zumindest eine mittelbare Gesundheitsgefährdung zu bewirken.
II. Zulässigkeit eines Werbefilms
Eine weitere Entscheidung des Hessischen Berufsgericht für Heilberufe bestimmt ebenfalls die Zulässigkeit der Werbung in Berufskleidung ein gestaltet die Wahl der Werbemedien für Ärzte und Zahnärzte weiter aus.
Gegenstand dieses Verfahrens war die Überprüfung der Zulässigkeit der Ausstrahlung eines Werbefilms eines Arztes im Fernsehen und der Verwendung dieses Films auf der Homepage der Arztpraxis.
Das Gericht erklärte, dass das Werbeverbot für Ärzte dem Schutz der Bevölkerung dient. Es soll das Vertrauen der Patienten darauf erhalten, dass der Arzt nicht aus Gewinnstreben bestimmte Untersuchungen vornimmt. Einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufs soll vorgebeugt werden. Dabei ist aber nicht jede Werbung eines Arztes, sondern nur die berufswidrige Werbung verboten. Sachangemessene Informationen, die den möglichen Patienten nicht verunsichern, sondern ihn als mündigen Menschen befähigen, von der freien Arztwahl sinnvoll Gebrauch zu machen, sind daher zulässig.
Nach diesen Maßstäben ist der Werbefilm eine zulässige Art der Imagewerbung. Dem Arzt müssen alle üblichen Werbeträger zur Verfügung stehen.
Speziell die Verwendung des Films im Internet drängt sich nicht einem unvorbereiteten Laienpublikum auf, da die passive Darstellungsplattform der Homepage regelmäßig nur von interessierten Personen auf der Suche nach ganz bestimmten Informationen aufgesucht wird.
Die am Verfahren beteiligte Kammer hatte zur Verteidigung ausgeführt, dass es der einhelligen Beratungspraxis sämtlicher Ärztekammern im Geltungsbereich der Bundesgesetze und des HWG entspreche, dass ein Kammermitglied sich nicht in seiner Berufskleidung bei seiner Werbung für die Arztpraxis abbilden lassen dürfe.
Das Berufsgericht erklärte wörtlich, dass „diese Beratungspraxis, wenn sie tatsächlich existieren sollte, angesichts der vorgenannten Rechtsprechung von Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof nicht (mehr) haltbar ist“.
III. Verwendung von Vorher-Nachher-Bildern in der Werbung für Schönheitsoperationen
Nachdem das OLG München 2001 entschied, dass Vorher-Nachher-Bilder zur Veranschaulichung der Wirkung von Schönheitsoperationen nicht vom Verbot des HWG erfasst waren, weil das Gesetz nur für die Werbung mit Darstellungen von Krankheiten galt, wurde das HWG geändert. Der Anwendungsbereich des HWG wurde auf operative plastisch-chirurgische Eingriffe erweitert, soweit sich die Werbeaussage auf die Veränderung des menschlichen Körpers ohne medizinische Notwendigkeit bezieht.
Nach der Gesetzesänderung hat erstmals das Landgericht Lübeck mit Urteil vom 15.05.2007 (Aktenzeichen 11 O 2/07) entschieden, dass die Behandlungsmethode des tiefen Peelings der Haut mittels Laser, die oberflächliche Behandlung von Cellulite und Peelings mit geringer Eingriffstiefe nicht unter das Verbot der Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern gemäß § 1 Nr. 2, § 11 Abs. 1 Nr. 5b HWG fallen.
Das Gericht führte aus, dass eine Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern nur dann verboten ist, wenn alle drei Merkmale (operativ, plastisch und chirurgisch) gegeben sind, was hier nicht der Fall war. Die eher der Dermatologie zuzuordnenden Behandlungen dürfen folglich beworben werden. Es bleibt bislang bei einem Werbeverbot für die plastische und ästhetische Chirurgie.
Aus dieser Entscheidung wird deutlich, dass die Gerichte weiterhin bestrebt sind, die Vorgaben des Verfassungsrechts und damit die weitgehende Werbefreiheit auch für Ärzte zu ermöglichen. Es bleibt abzuwarten, wie lange das HWG unter den zunehmenden Einschränkungen seines Anwendungsbereichs noch Bestand haben kann.
IV. Fazit
Fest steht somit, dass im Lichte der neuesten Rechtsprechung und der entsprechenden Auslegung speziell der Vorschriften des HWG die Werbung für Ärzte und Zahnärzte weitere Möglichkeiten erfährt. Solange die einzelnen Kammern hierzu aber keine einheitliche Linie entwickeln, bleibt es bei der Notwendigkeit, sich im Falle einer Ahndung vehement und mit fachkundiger Hilfe dagegen zur Wehr zu setzen.
Arbeitsrecht im Gesundheitswesen – Update für die Praxis
Arbeitszeiten, Urlaubsanspruch, Überstunden und Co.: Das komplexe Arbeitsrecht sorgt regelmäßig für Unklarheiten und stellt viele Arbeitgeber vor eine große Herausforderung. Häufig sind die Rechtsvorschriften im Arbeitsrecht zudem nicht ganz eindeutig und selbst Praktikern fällt es schwer, den Überblick über die vielen Regelungen und Urteile zu behalten. Welche Rechte haben Sie und welche Rechte Ihre Mitarbeiter? Welche Pflichten gilt es beiderseitig einzuhalten?
Mitarbeiterführung und Bindung durch richtige Arbeitsverträge
Rechtsanwältin Nadine Ettling aus der Kanzlei Lyck+Pätzold. healthcare.recht gibt einen Überblick über die Grundlagen des Arbeitsrechts und fasst zusammen, was Praxisinhaber/ Arbeitgeber / Unternehmer jetzt wissen sollten. Es geht unter anderem darum, wie die richtige Gestaltung Ihrer Arbeitsverträge dazu beitragen kann, dass Sie zu einer attraktiven Arbeitgebermarke werden, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Gleichzeitig werden Neuerungen aus der Rechtsprechung zur Konkretisierung von Abgeltungsklauseln, zu Urlaubsregelungen, dem Nachweisgesetz als auch datenschutzrechtliche Aspekte beleuchtet.
Vortragsinhalte zum Arbeitsrecht
- Was muss bei Arbeitsverträgen bedacht werden?
- Wie kann ein Arbeitsvertrag Mitarbeiter binden?
- Umsatzabhängige Vergütungen – Was ist zu beachten?
- Vergütungsgestaltung und Vermeidung von Korruptionsrisiken?
- Mindestlohngesetz, was ist in der Praxis zu beachten?
- Wie werden Arbeitsverträge krisensicher?
- Schwangerschaftsbeschäftigungsverbot und Stillbeschäftigungsverbot
- Arbeitszeit, Arbeitszeitgesetz und Dokumentation,
- Rufbereitschaft / Bereitschaftsdienst, Arbeitszeitmodelle, Lösungen und Maßnahmen
- Fremdpersonaleinsatz
- Hinweisgeberschutzgesetz
- Compliance im Arbeitsrecht und Compliance im Medizinrecht
Ablauf
Vortrag: am 13.09.2023 um 18:30 – 19.30 Uhr
Referenten: Nadine Ettling
Moderation: Christian Erbacher
Ihre Referentin:
Nadine Ettling
Rechtsanwältin Ettling ist Fachanwältin für Medizinrecht und hat sich wie alle Anwälte der Kanzlei Lyck+Pätzold. healthcare.recht dem Medizinrecht und der rechtlichen Beratung der Akteure im Gesundheitswesen verschrieben. Sie ist sowohl außergerichtlich als auch gerichtlich tätig und berät und vertritt medizinische Leistungserbringer, insbesondere Zahnärzte und Ärzte sowie Kliniken, in den Bereichen des Arbeitsrechts, des Berufs- und Werberechts als auch bei Praxisgründungen. Frau Ettling ist Rechtsbeirätin des Dentista e.V. – Forum für Zahnmedizin und Zahntechnik.
Ihr Moderator:
Christian Erbacher
Christian Erbacher ist Fachanwalt für Medizinrecht und Experte für strategische Praxisentwicklung. Er ist Partner der Kanzlei Lyck + Pätzold, healthcare. recht. Christian Erbacher ist seit vielen Jahren Wegbereiter in der Healthcare-Welt und von Hause aus ein großer Fan technischer Neuerungen.
Die Themen Arbeitsrecht, Gesellschaftsrecht, Digitalisierung und strategische Weiterentwicklung der Unternehmen im Gesundheitswesen treiben ihn an.
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Begriff Kinderzahnarztpraxis: Was steckt dahinter?
Ob Kinderzahnarzt oder Kinderzahnarztpraxis, kindgerecht und die überwiegende Behandlung von Kindern muss gegeben sein. Ob die Außendarstellung eines Zahnarztes oder seiner Praxis mit berufsrechtlichen Regelungen vereinbar ist, ist vielfach Auslegungssache und beschäftigt daher regelmäßig sowohl Zahnärztekammern als auch Gerichte. Gerade die Praxisbezeichnung wird von den zuständigen Zahnärztekammern regelmäßig beanstandet. Über eine solche Beanstandung durch die Zahnärztekammer haben wir bereits berichtet.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat erneut entschieden, dass sich die Zahnarztpraxis als „Kinderzahnarztpraxis“ bezeichnen darf, wenn die Ausstattung der Praxis kindgerecht ist und die dort tätigen Zahnärzte für die Belange von Kindern aufgeschlossen sind. Die Kammer Nordrhein unterlag vor dem BGH mit ihrer Auffassung, einer Zahnarztpraxis die Praxisbezeichnung „Kinderzahnarztpraxis“ zu untersagen.
Die Standesvertretung hatte die Werbung einer Zahnarztpraxis beanstandet und abgemahnt. Die Praxis war allerdings nicht bereit, auf die Praxisbezeichnung zu verzichten. Die Kammer klagte und beantragte, die Praxis unter Androhung von Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, zahnärztliche Leistungen unter der Bezeichnung „Kinderzahnarztpraxis“ zu bewerben.
Die Kammer obsiegte in der 1. Instanz vor dem Landgericht. Das OLG Düsseldorf hob in 2. Instanz das Urteil des Landgerichts auf und wies die Klage der Kammer ab. Die Zahnärztekammer nahm dies zum Anlass, Revision gegen das Berufungsurteil einzulegen.
BGH-Entscheidung zur Bezeichnung Kinderzahnarztpraxis
Der BGH in seiner Entscheidung macht mit seiner Entscheidung klar, dass die Auffassung der Zahnärztekammer mit dem grundsätzlichen Werberecht der Praxis nicht in Einklang zu bringen ist und urteilte, dass die Bezeichnung „Kinderzahnarztpraxis“ nicht zu beanstanden ist.
Die Bezeichnung „Kinderzahnarztpraxis“ stellt überdies keine Irreführung dar, weil der Bezug zu Kindern allein in der Praxisbezeichnung vorhanden sei und kein personaler Bezug zum Arzt hergestellt wird. Das Gericht weist einmal mehr darauf hin, dass die nach Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsausübungsfreiheit eines Zahnarztes auch das Recht zu einer berufsbezogenen und sachangemessenen Werbung umfasst, soweit sie nicht irreführend ist.
Solange die vom BGH ausführlich dargestellten Voraussetzungen vorliegen, ist der Hinweis auf eine gerade auf Kinder/Jugendliche ausgerichtete zahnärztliche Tätigkeit berufsrechtlich nicht zu beanstanden. Sollten allerdings die vom Gericht geforderten Voraussetzungen nicht erfüllt sein, droht weiterhin eine Beanstandung durch die Kammer.
Eine kindgerechte Praxis darf sich Kinderzahnarztpraxis nennen!
Zahnarztpraxis darf sich als „Kinderzahnarztpraxis“ bezeichnen, wenn die Ausstattung der Praxis kindgerecht ist und die dort tätigen Zahnärzte für die Belange von Kindern aufgeschlossen sind. Die Zahnärztekammer Nordrhein scheitert vor dem Bundesgerichtshof mit dem Versuch, einer Zahnarztpraxis die Praxisbezeichnung „Kinderzahnarztpraxis“ zu untersagen.
Die Kammer hatte zuvor die Werbung einer Zahnarztpraxis beanstandet und abgemahnt, die sich in der Werbung als „Kinderzahnarztpraxis“ bezeichnet hatte. Nachdem die Praxis nicht bereit war, auf diese Praxisbezeichnung zu verzichten, klagte die Zahnärztekammer und beantragte, die Praxis unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, zahnärztliche Leistungen unter der Bezeichnung „Kinderzahnarztpraxis“ zu bewerben.
Die Zahnärztekammer obsiegte in der 1. Instanz vor dem Landgericht. Das OLG Düsseldorf hob in 2. Instanz das Urteil des Landgerichts auf und wies die Klage der Kammer ab. Die Zahnärztekammer nahm dies zum Anlass, Revision gegen das Berufungsurteil einzulegen und so hatte nun der BGH die Frage abschließend zu klären.
Höchstinstanzliche Entscheidung zur Bezeichnung Kinderzahnarztpraxis
Der BGH in seiner Entscheidung machte deutlich, dass die Auffassung der Zahnärztekammer mit dem grundsätzlichen Werberecht der Praxis nicht in Einklang zu bringen ist und urteilte, dass die Bezeichnung „Kinderzahnarztpraxis“ nicht zu beanstanden ist.
Die Beanstandung der Kammer wäre berechtigt gewesen, wenn die Bezeichnung „Kinderzahnarztpraxis“ den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer täuschen würde. Das wäre der Fall, wenn die Bezeichnung „Kinderzahnarztpraxis“ die Vorstellung erweckt, die mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Eine solche Täuschung hat der BGH ausdrücklich verneint und ausgeführt, dass die Angabe „Kinderzahnarztpraxis“ nicht über die Person oder Befähigung der beklagten Zahnarztpraxis täuscht.
Die angesprochenen Verkehrskreise verstünden die Angabe vielmehr so, „dass in der Praxis zahnärztliche Leistungen angeboten werden, wie sie in jeder Zahnarztpraxis finden, allerdings darüber hinaus eine besondere Bereitschaft mit sich bringt, Kinder mit ihren besonderen emotionalen Bedürfnissen zu behandeln. Darüber hinaus haben die Verbraucher die Erwartung, dass die Praxiseinrichtung kindgerecht ist. Sie haben nicht die Vorstellung, dass die Behandler über besondere fachliche Kenntnisse der Zahnheilkunde verfügen, die ein normaler Zahnarzt nicht hat oder die gar erst im Rahmen einer umfassenden Weiterbildung erworben werden müssen, an deren Ende eine staatliche Prüfung steht.
Die urteilenden Richter machen deutlich, dass der Begriff „Kinderzahnarztpraxis“ bei den angesprochenen Verkehrskreisen nicht die Vorstellung einer besonderen fachlichen Qualifikation auslösen: „vielmehr erwarten die Verkehrskreise eine kindgerechte Praxisausstattung und für die Belange von Kindern aufgeschlossene Zahnärzte, während sie deren fachliche Eignung als selbstverständlich voraussetzen.“
Die Bezeichnung „Kinderzahnarztpraxis“ stellt auch deshalb keine Irreführung dar, weil der Bezug zu Kindern allein in der Praxisbezeichnung vorhanden sei und kein personaler Bezug zum Arzt hergestellt wird. Das Gericht weist einmal mehr darauf hin, dass die nach Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsausübungsfreiheit eines Zahnarztes auch das Recht zu einer berufsbezogenen und sachangemessenen Werbung umfasst, soweit sie nicht irreführend ist.
Fernbehandlungen und irreführende Facharztbezeichnungen
Immer wieder ist das ärztliche Werberecht Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Meist deshalb, weil Mitbewerber oder Verbände einen wettbewerbsrechtlichen Verstoß sehen und die Unterlassung einer bestimmten Werbemaßnahme gerichtlich durchsetzen möchten. So auch in dem kürzlich vom Landgericht Koblenz gefällten Urteil zur Bezeichnung eines Mediziners, der mit Fernbehandlungen als „Facharzt für Akupunktur, Hypnose, Sexualmedizin und Raumfahrtmedizin“ geworben hatte (Urteil vom 20.07.2021 – 1 HK O 29/21).
Hier hatte ein Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie durch den Versand von Emails darauf aufmerksam gemacht, dass er künftig Fernbehandlungen in der „faszinierenden Welt der Raumfahrtmedizin“ anbieten werde. Konkret bot er Raumfahrt- und Regulationsmedizin in Form von Fachgesprächen über Telefon und Video an. Der betroffene Mediziner bezeichnete sich in diesem Zusammenhang auch als Facharzt für „Akupunktur“, „Hypnose“, „Sexualmedizin“ und Facharzt für „Raumfahrtmedizin“.
Das Landgericht hielt diese Art der Patienteninformation in gleich zwei Punkten für einen wettbewerbsrechtlichen Verstoß und stufte sie als unlautere, weil irreführende, geschäftliche Handlung im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 3a, 5 Abs. 1 UWG ein. Zum einen stellte das Landgericht fest, dass der Arzt in unzulässiger Weise eine Fernbehandlung bewarb und sich zum anderen als Facharzt für Fachgebiete bezeichnete, die gar keine anerkannten Facharztbezeichnungen darstellen.
Werbung für Fernbehandlungen
Das Gericht befand, dass bereits die Werbung mit der Fernbehandlung einen Verstoß gegen § 9 Satz 1 HWG darstelle. Danach ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen beruht, unzulässig. § 9 Satz 2 HWG sieht zwar eine Ausnahme bei der Werbung für Fernbehandlungen, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen, vor, wenn nach allgemein anerkannten medizinischen Standards ein persönlicher Kontakt mit dem Patienten nicht erforderlich ist. Dass ein solcher Umstand gegeben ist, sei durch den Arzt nicht hinreichend dargelegt worden, sodass er sich nicht auf die Ausnahmeregelung berufen könne.
Werbung mit erfundenen Facharztbezeichnungen
Auch die Bezeichnung als Facharzt für „Akupunktur“, „Hypnose“, „Sexualmedizin“ und „Raumfahrtmedizin“ stufte das Gericht nachvollziebar als unlauter im Sinne von § 5 UWG ein.
Eine Facharztbezeichnung setzt den erfolgreichen Abschluss einer Weiterbildung in einer zugelassenen Weiterbildungsstätte sowie Anerkennung durch die jeweils zuständige Bezirksärztekammer voraus. Ansonsten darf eine Facharztbezeichnung nicht geführt werden. Die Gebiete, für die es eine anerkennungsfähige Facharztbezeichnung gibt, sind in der jeweils gültigen Weiterbildungsordnung konkret benannt. Weder „Akupunktur“ noch „Hypnose“ noch „Sexualmedizin“ und auch nicht die „Raumfahrtmedizin“ gehören jedoch zu diesen Gebieten.
Das Gericht erklärte, dass es unzulässig sei mit einer Fachärztebezeichnung zu werben, die es nicht gibt. Schließlich impliziere der Facharztbegriff, dass der betreffende Arzt die behauptete Spezialisierung aufgrund entsprechender Kenntnisse – sowohl im theoretischen als auch praktischen Bereich – vorweisen könne. Eine solche Werbung wie im vorliegenden Fall könne dazu führen, dass ein Patient nur deshalb diesen Arzt wählt, weil er von ihm wegen besonderer Fachkunde in den genannten Fachgebieten die bestmögliche Behandlung erwartet, während er einen anderen Arzt ausgewählt hätte, wenn er gewusst hätte, dass es diese Facharztbezeichnung gar nicht gibt.
Werbung mit dem Master of Science
In eine ähnliche Richtung zielt auch die Entscheidung des BGH vom 29.07.2021 (I ZR 114/20). Hier hatte die Zahnärztekammer Nordrhein einen Zahnarzt wegen seines Internetauftritts mit den Bezeichnungen „Kieferorthopädie in der xy-Straße“, „Zahnarztpraxis für Kieferorthopädie“ und „Praxis für Kieferorthopädie“ wegen unlauteren Wettbewerbs auf Unterlassung in Anspruch genommen und dabei gerügt, dass dieser kein Fachzahnarzt für Kieferorthopädie im Sinne der Weiterbildungsordnung sei. Gleichwohl hatte dieser jedoch den Tätigkeitsschwerpunkt Kieferorthopädie sowie einen Masterabschluss mit dem Titel „Master of Science Kieferorthopädie (MSc)“ vorzuweisen.
Der Bundesgerichtshof befand die beanstandeten Bezeichnungen lediglich insoweit als irreführend und damit berufsrechtswidrig sowie wettbewerbswidrig wie bei den adressierten Verkehrskreisen die unzutreffende Erwartung geweckt worden sei, dass hier ein Fachzahnarzt für Kieferorthopädie mit einer förmlichen Weiterbildung im Sinne der Weiterbildungsordnung tätig sei. Soweit der beklagte Zahnarzt seiner Person die Angabe „Master of Science Kieferorthopädie“ hinzugefügt hatte, hatte er nach Ansicht des Bundesgerichtshofs hingegen hinreichend über seine Qualifikation aufgeklärt und keinen wettbewerbsrechtlichen Verstoß begangen.
Praxistipp
Die Rechtslage zum ärztlichen Werberecht wird maßgeblich durch die aktuelle Rechtsprechung geformt und erschließt sich auch nicht in jedem Fall sofort. Sich an die Vorgaben der Weiterbildungsordnung und nur tatsächlich erworbene Qualifikationen für die Außendarstellung zu verwenden ist sicherlich ein guter Anfang. Wer auf der sicheren Seite sein will, sollte bei neuen Werbemaßnahmen auf erfahrene Rechtsberater zurückgreifen.